Pilgerwanderung 20.5.2017
Der Tag beginnt mit einer freudigen Überraschung. Wolken und Regen waren vorausgesagt, doch der Himmel ist blau und die Sonne scheint, als wir uns morgens um halb neun Uhr in Batschuns beim Haus der Frohbotschaft treffen.
Bevor wir aufbrechen, erzählt uns Erna Reichweger vom Beginn der Gemeinschaft, von der Geschichte und dem Leben in diesem Haus, in dem die Gemeinschaft so viele Jahre verortet und beheimatet war. Christl Mühlbacher stärkt uns mit Energie-Riegel für den Weg.
In abwechslungsreichem Auf und Ab geht es in der ersten Wegetappe nach St. Arbogast. Die Natur präsentiert sich nach dem Regen in der Nacht wie frisch gewaschen. In den Gärten blühen die Sommerblumen, in einer Wiese leuchtet ein Meer von weißen Margeriten. Der kurze steile Anstieg hinter der Kirche von Röthis belohnt uns mit einem weiten und atemberaubenden Blick über das Rheintal und in die Berge rundherum.
Hier halten wir inne für einen Impuls zum schweigenden Weitergehen. Eine kleine chassidische Geschichte gibt uns dazu die Anregung. Sie stellt die Frage „Für wen gehst du?“ Für wen gehst du – eine Frage auf die die Frohbotinnen in den vergangenen Jahren immer wieder neu Antworten gegeben haben. Für wen gehst du – eine Frage, die sich auf vielfältige Art und Weise immer wieder neu stellt, für jede und jeden.
Das Jugend- und Bildungshaus St. Arbogast ist nach zwei Stunden erreicht und eine kurze Pause ist angesagt. Gerne nehmen wir den kleinen Imbiss, mit dem uns Rosalia Kohler überrascht, an und freuen uns, dass noch weitere Pilger und Pilgerinnen aus dem Freundeskreis und darüber hinaus dazugestoßen sind. Die Erinnerung an die Frohbotinnen, die an diesem Ort mitgewirkt haben, wird lebendig. In der Kapelle hören wir die Geschichte von Rut und Noomi als weiteren Impuls für den gemeinsamen Weg. „Wohin du gehst, dahin gehe ich auch ….“.
Die zweite Etappe nach Hohenems führt auf ruhigen Wohnstraßen durch Götzis und am Waldrand entlang bis zum islamischen Friedhof in Altach, dessen Entstehung eng mit Elisabeth Dörler verbunden ist. Hier erwarten uns bereits Gertrud Weber und Karoline Artner. Barfuß betreten wir den wunderschönen Gebetsraum, wo uns der Bürgermeister diese künstlerisch und architektonisch beeindruckende Begräbnisstätte für Menschen muslimischen Glaubens vorstellt. Passend dazu liest uns Susanne Winder einen poetischen Text des islamischen Mystikers Rumi vor, der als Inschrift auf seinem Grab in Konya steht.
Wir müssen weiter. Noch liegt eine Stunde Weg vor uns. In Hohenems in der „Habsburg“ wartet nicht nur eine Pilgersuppe sondern auch Maria Mathis, um uns von der Bedeutung des Gasthauses ihrer Familie während der NS-Zeit zu erzählen und von ihrer Mutter, die den unglaublichen Mut besaß, den verfolgten und verzweifelten Juden, die in die Schweiz wollten, Unterkunft zu geben. Als die ersten türkischen Gastarbeiter nach Vorarlberg kamen, fanden sie in der „Habsburg“ einen Ort, wo sie als Gäste willkommen waren.
Um drei Uhr sammeln wir uns für die dritte Wegetappe, einige entschließen sich, diese mit dem Zug zu machen. Es liegt ja bereits eine Gehzeit von 4 Stunden hinter uns. Der Weg führt uns zunächst lang durch einen Wald, dann durch ein Industriegebiet, danach durch ein Stück Alt-Dornbirn mit schönen Rheintalhäusern und schließlich der Dornbirner Ach entlang und durch das Zentrum von Dornbirn.
Am Beginn dieser Etappe erinnert Franz Josef Mayer an den Mut der Frohbotinnen immer wieder das „Undenkbare gedacht“ und das „Unmögliches getan“ zu haben. Mit der Einladung diesem Mut und diesem Vertrauen nachzugehen, beginnen wir den Weg wieder im Schweigen.
Um fünf Uhr langen wir nach und nach beim Kaplan-Bonetti-Haus ein. Auch hier sind die Spuren des Werkes der Frohbotschaft sichtbar, wurde das Haus doch von Dr. Fasching und Kaplan Bonetti als Haus der Jungen Arbeiter ins Leben gerufen.
Als wir alle anschließend in der Christus-Kapelle gemeinsam Lukas 4,18 lesen und mit dem Lied „Großer Gott wir loben dich“ unseren Pilgerweg abschließen, sind alle müde und glücklich. Im Haus der Gemeinschaft hat Helga Berchtel ein köstliches Abendessen für uns alle zubereitet. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für die feine Tagesverpflegung.
Ich glaube, es war für alle ein bemerkenswerter Tag. Das gemeinsame Gehen, die verschiedenen Impulse, das Schweigen, die persönlichen Gespräche und der Austausch über Vergangenes, Geplantes bzw. Bevorstehendes im Freundeskreis und waren eine wertvolle Erfahrung. Die Lebensgeschichten von zwei jungen Afghanen, die ich dabei erfahren habe, werde ich wohl nie vergessen.
Christine Müller