Geschichten aus der Corona-Zeit ab 16.03.2020

So einschränkend die Corona-Zeit für uns alle ist, so kreative Blüten hat sie auch hervorgebracht. Frohbotinnen berichten hier, was sie erlebt und erfahren haben.

Meine Erfahrungen aus den Corona-Wochen von Martha Greußing
Erfahrungen die ich mit mir selbst machte:
Einerseits freute ich mich über die dadurch gewon­nene unverplante Zeit, andererseits gingen mir die Begegnungen mit den Frauen aus der Pfarre und ganz besonders mit den Bewohnern und dem Pflege­personal des Sozialzentrums sehr ab. Natürlich gab es viele und auch sehr lange Telefongespräche und manches konnte auch in die Wege geleitet werden. Aber das Wissen wie es den einzelnen geht fehlte mir einfach und ganz besonders das sich verabschieden von all jenen die in diesen Wochen gestorben sind.
In der ersten Woche habe ich voll Energie verschiede­ne längst fällige Arbeiten in Angriff genommen, wie: Fenster putzen, Bücher entstauben, Blumen umtop­fen, Schubladeninhalte neu ordnen; - alles Dinge die schon längst fällig waren.
Nach dieser Aufräumwoche ist mein Energiepegel jedoch merklich gesunken. Und ich verspürte ein starkes Bedürfnis nach Ablenkung von den omni­präsenten Aufrufen der Bundesregierung und den Corona-Informationen. Und so suchte ich nach al­ten Filmen und kabarettistischen Sendungen in den verschiedensten TV-Kanälen. Doch auch das war auf Dauer unbefriedigend.
Als nächstes habe ich mich aufgerafft die schon seit langem ungeordnet liegenden Familienphotos und Bilder aus meiner Schul- Jugend und Bolivienzeit zu ordnen und Überflüssiges zu entsorgen. Es war vor allem ein Ausflug in die Familiengeschichten meiner Eltern und Großeltern, und damit verbunden auch die Frage nach meinen Wurzeln und ein Eintauchen in ihr und mein eigenes Geworden Sein, für das ich mir bisher kaum Zeit genommen hatte.
Ich hatte auch genügend Zeit um verschiedene Bü­cher und Zeitschriften neu zu lesen und den Stoß der ungelesenen Bücher zu verkleinern. Dabei bin ich in der Herder Korrespondenz auf das Porträt eines französischen Theologen gestoßen, Joseph Moingt SJ, geb. 1915, der sich auch jetzt immer noch aktiv in die französische Theologie einbringt. Sowohl sein Alter als auch die von ihm mitgetragenen Wandlun­gen innerhalb der französischen Kirche faszinierten mich. Sein letztes Buch erschien 2018. Eines seiner Anliegen ist die Einbeziehung der Glaubenserkennt­nis der Durchschnittschristen in die Theologie und in die Kirche.
Da wir uns im Matthäus-Jahr befinden hatte ich mir außerdem vorgenommen, mich mit der Bergpredigt (Mt 5,1 – 7,29) intensiver auseinanderzusetzen. Für mich war dies eine hilfreiche Ergänzung zu den sonn­täglichen Fernsehgottesdiensten.
In den Telefonaten mit einzelnen Heimbewohnern habe ich mitbekommen wie sehr sie unter der Aus­gangssperre leiden und vor allem, dass ihnen das sich Bewegen in der frischen Luft sehr abgeht.
Als dann erste Lockerungen für die Wirtschaft und später auch für verschiedene Sportarten publik wur­den, hieß es für Bewohner von Pflegeheimen ledig­lich, dass sie besonders gefährdet sind und deshalb geschützt werden müssen. Die Heimverwaltung hat sich bei ihren Maßnahmen strikt an die Vorgaben der Vbg. Landesregierung gehalten. Was mich jedoch innerlich wütend machte war vor allem die Wahr­nehmung, dass überall dort wo Lobby-Gruppen als Sprachrohr agierten Lockerungen und Öffnungen möglich wurden; - aber, dass es für die Bewohner der Pflegeheime leider keine Lobbygruppe gibt. Auf Grund dieser Erfahrung ist für mich heute die Men­schenwürde einzelner wichtiger als eine für alle glei­chermaßen gültige Gesundheitssicherung. Dies vor allem, wenn ich an ihre eher kurz bemessene Lebens­zeit denke. In diesen 9 Wochen sind immerhin 7 auf meinem Stockwerk verstorben.
Heute bin ich froh und dankbar, dass seit der 2. Mai­hälfte auch die Regelungen für Heimbewohner und Heimbesucher gelockert wurden und sie sich zumin­dest wieder im Freien bewegen dürfen.
Was ist mir durch diese Corona-Zeit zugewachsen?
-Als Wichtigstes meine ich Dankbarkeit für die vie­len Begegnungen und gewachsenen Beziehungen und auch das für andere Dasein zu dürfen. Es ist mir die neuerliche Erfahrung, dass nichts selbstverständ­lich ist.
-Das Bewusstsein, dass Entschleunigung Zeit braucht um mich darauf einzulassen und mich auch gefühlsmäßig darauf einzustellen, so dass ich mich auch in der veränderten Situation wohlfühle. Die 2 Monate sind eigentlich sehr schnell verflogen.
-Die Wahrnehmung der damit verbundenen un­terschiedlichen Gefühlsempfindungen und die da­mit verbundene Erfahrung, dass sich Gefühle sehr schnell wandeln können; es aber trotzdem wichtig ist sie bewusst wahrzunehmen.
-Die Erfahrung, dass es gut tut sich der eigenen Ge­schichte, inklusive der Familiengeschichte zu stellen und nachzuspüren wo noch unzureichend verarbei­tete „Reste“ vorhanden sind.
-Und für das „nach dieser Krise“ die Frage der Nach­haltigkeit bei mir selbst. Was muss ich vielleicht än­dern um Engagement und Entschleunigung in ein annäherndes Gleichgewicht zu bringen.

Aurora Ortega Roblero schreibt aus San José Ojetenam
Ich freue mich sehr, euch grüßen zu dürfen. Wie geht es euch? Hier in San José geht es uns bis jetzt gut. Dank sei Gott, unserer Mutter Maria, dem Hl. Josef und anderen Heiligen, die uns beschützen, ohne dass wir es merken. Ich bin zu Hause und sortiere Doku­mente und Bücher, unter anderem für die Schule, spreche mit den Eltern und bereite für die Kinder Aufgaben zum Arbeiten zu Hause vor. Die Zeit ver­geht schnell. Ich bin täglich mit den SchülerInnen der verschiedenen Schulstufen in Kontakt. In jeder Klasse gibt es 3 bis 7 Kinder. Ich habe auch Hühner. In der ersten Zeit erhielt ich ungefähr vier Dutzend Eier von zwei Hühnern, dann erkrankten sie an Grippe; die At­mung war kaum wahrzunehmen. Seit ich sie mit Me­dikamenten behandle, geht es ihnen besser.
Die Situation im Land ist schwierig. Tausende Men­schen sind aufgrund der Anordnung im Haus zu blei­ben, ohne Arbeit geblieben. Der Präsident hat zwei Berater, einen aus Panama und einen aus Mexiko, die ihn begleiteten als er an die Macht kam. Und jetzt, da das Land wieder verschuldet ist, hat er von zwei internationalen Banken Millionen von Quetzales ge­liehen, um dem Land zu helfen: Aber Tausende Men­schen protestieren auf Grund ihrer Arbeitslosigkeit. Einige vermieteten Wohnungen und bekamen Miete, andere arbeiteten auswärts – das ist jetzt schwierig
Und bei euch - wie geht es mit eurer Gesundheit?
Es sind nur wenige Menschen, die am Sonntag zur Eucharistiefeier kommen. Nächste Woche trifft es uns kirchliche Mitarbeiter*innen für drei Tage den Rosenkranz für das Radio der Pfarre vorzubereiten und für den Donnerstag die Heilige Stunde.
Meine lieben Schwestern, unser Gott segne und be­gleite euch immer!

Grüße von Miriam aus Guatemala
Wir befinden uns in strenger Quarantäne. Wir können nicht einmal nach Quezaltenango fahren (ca. 10 km von Salcaja, dem Wohnort Miriams entfernt), um  Übertragung und Ansteckung zu vermeiden, Es heißt, dass wir laut Statistik am Gipfel der Pandemie angelangt sind, Jeden Tag gibt es mehr Fälle und es wird erwartet, dass sie abnehmen.
Es gibt viele Wünsche zu reisen, aber wir wissen nicht, ob es möglich ist. So zwingt uns diese Krankheit, zu Hause zu bleiben,
Es gibt viel Druck von den Gesundheitsbehörden. Ich gehe weiter ins Altersheim, aber holen und bringen mich mit dem Auto hin. Ich beziehe mich nur auf die Menschen im Altersheim.
Wir sind gut kontrolliert, vor allem die Erwachsenen wie ich. Letztlich bleibt uns nur abzuwarten, dass alles vorbei geht. Unserer Wirtschaft befindet sich in großer Not.
Ich freue mich, dass alle in der Gemeinschaft gesund sind .. Gott sei Dank. Unserer Familie geht es auch gut, es sind alle gesund, auch die in Chicago. Ich sende Grüße und beten wir, dass die Barmherzigkeit Gottes uns begleitet, dass wir diese Pandemie gut überstehen.

Corona-Kaffee-Sekt-Stündchen von Christl Mühlbacher
Ich möchte ALLEN einen lieben Gruß schicken von unseren „All-sonntäglichen Corona-Kaffee-Sekt-Stündchen im Garten mit unseren Nachbarn Werner, Magdalena und Elisabeth auf der einen Seite, und der türkischen   Familie - Ali ( der uns schon seit 20 Jahren den Rasen mäht ), mit seiner Frau Belgin und ihren Kindern auf der anderen Seite. Wir, das sind Sigrid Gassner (Ruths Schwester) mit Ilona, einer ihrer Pflegerinnen und ich.
Und so begann es: am Abend vor dem Palmsonntag rief mich Magdalena an, ob ich morgen um 15 Uhr Zeit hätte, es gibt Kuchen und Kaffee im Garten.
Meine Antwort war: dann bringe ich Sekt.
Es war ein wunderschöner, herrlicher Palmsonntag,   wir waren vermutlich alle Sonnen- und Lufthungrig.
Also trafen wir uns auch an den folgenden drei Sonntagen und wechselten uns in der Kuchen Produktion ab.
Ich fand es wunderbar, dass wir trotz Corona, oder gerade wegen Corona, an diesen herrlichen Sonntagen auch die gute Nachbarschaft  genießen und  erfahren konnten, dass auch auf 10 m Entfernung die Kommunikation gut funktioniert.
Wie Ihr seht geht es mir sehr gut !!!!

Die Schätze des Alltags von Andrea Haslinger
„Der Augenblick ist stets voll unendlicher Schätze“ (Romano Guardini)
Gerade die Corona Krise zeigt mir täglich die Schätze des Alltags.
Erster Schatz: Ein Mietshaus wird zur Hausgemeinschaft
Da hängt vom ersten Tag an beim Lift eine Mitteilung, dass ein junger Mann aus dem 1. Stock für alle, die es benötigen, einkaufen und sonstige Erledigungen machen würde.
Zweiter Schatz: Die Terrasse
Die Terrasse am Dach ist vom Hauseigentümer für alle Bewohner und Bewohnerinnen geöffnet. Ich gieße die Blumen und Büsche, zupfe das Unkraut. Begegnungen (alles mit nötigem Abstand) bringen nicht nur ein Lächeln mit sich sondern auch diverse Gespräche.
Dritter Schatz: Ich lebe nicht alleine
Das macht vieles leicht. Immer ist jemand zum Reden da. Am Morgen wird ein Tagesplan erstellt: Kochen, Putzen und diverse Dienste aufgeteilt. Auch die tägliche Bewegung ist zu zweit leichter durchzuführen.
Vierter Schatz: Das Telefon
Es ermöglicht mir trotz allem mit Frohbotinnen, Geschwistern und Freundinnen in persönlichem Kontakt zu bleiben: ein Geben und Nehmen im Austausch, wie die täglichen Veränderungen gemeistert werden.
Fünfter Schatz: Ich bin Pensionistin
Ich habe ein gesichertes Einkommen und muss mich nicht ängstigen arbeitslos zu sein oder auf Kurzarbeit geschickt zu werden.

Wo Leben lebt, gedeiht,
und sei es noch so wenig,
da ist ein Stück von Ewigkeit,
da ist der Bettler König.

Ich bin keine große Schreiberin, aber ein paar Sätze an Euch alle sind mir wichtig und dabei geht Franziska Stachl mit, da ich heute mit Maria Gscheider den Termin vereinbart habe, wann wir die Wohnung räumen. Ich werde versuchen kleine Stücke als Andenken an Franziska mitzubringen. Voraussichtlich zur Werkwoche.

 

Coronazeit in Istanbul von Gerda Willam
„Ein besonderer Todesfall in einer besonderen Zeit“

Am Nachmittag des 26. April 2020, dem Sonntag mit striktem Ausgehverbot in Istanbul, erreichen mich innerhalb einer halben Stunde zwei Telefonanrufe: Ein deutscher Patient ist verstorben und hatte verfügt, in Istanbul beerdigt zu werden.
Seine Frau ist Psychologin mit Palliativerfahrung. Über Vermittlung einer Ärztin des St. Georgs-Krankenhauses rief sie mich an und wollte Informationen über die Möglichkeit eines anonymen Begräbnisses in der Türkei: ihr Mann war Nihilist und aus der Kirche ausgetreten, von seiner Krebserkrankung wusste er seit Jänner.

Ein mit der Witwe befreundetes Ehepaar erreicht bei der Behörde eine offizielle Ausgangserlaubnis. Ich vereinbare mit ihnen, dass ich erreichbar bin, aber nicht mitgehe, da ich mir nicht sicher bin, wieweit die Witwe  einen kirchlichen / religiösen Beistand zu diesem Zeitpunkt wünscht. Eine Stunde später werde ich gebeten zu kommen. Eine offizielle Ausgangserlaubnis habe ich zwar nicht, aber die Zusicherung des Ehepaars, dass sie eine Nummer von der Polizei haben, die sie anrufen können, wenn ich Probleme bekomme. Die Adresse wird mir bekanntgegeben und ich nehme zur Sicherheit meinen Pass und die Passkopie des Verstorbenen mit.

Die Stadt ist sehr ruhig. Wer den Weg über die Istikklal, der Hauptfußgängerzone in Istanbul, kennt, weiß, dass auf dieser ca. 10 Meter breiten Straße an einem gewöhnlichen Sonntagnachmittag sich die Massen tummeln. Heute ist es wie ausgestorben. Beim Galataturm und vor den Konsulatsgebäuden stehen ein paar Polizisten. Die erwarteten Kontrollfragen bleiben aus, es reicht ein freundliches Zunicken von der Ferne. In der vermuteten Nähe meines Ziels muss ich an einer Polizeistation vorbei, und ich bin etwas verunsichert. Die Polizisten sind sehr freundlich und fragen mich, wohin ich will. Ich sage die Adresse, dass ich von der Kirche bin und dass jemand gestorben sei. Kein erwartetes Nachfragen, warum ich unterwegs bin, denn sie wissen Bescheid über den Todesfall und zeigen mir den Weg und das Haus.

Der Verstorbene ist noch im Haus. Ein stilles Gedenken, dann beginnen Gespräche über den Verstorbenen und Überlegungen, was nun zu tun sei. Der Priester, den sie von zwei, drei Begegnungen her kennen, ist Prälat Nikolaus Wyrwoll (der in St. Georg wohnt), aber der darf mit über 80 das Begräbnis nicht halten. Auf Bitten der Witwe organisiere ich nun die Bestattung und gebe den Totenschein weiter. Der Verstorbene wird eine Stunde später abgeholt. Die Beerdigung wird auf Dienstag vereinbart und der deutsche Pfarrer, P. Simon, der die Beerdigung leiten soll, wird informiert.
Am Nach-Hause-Weg ein kurzer Besuch in der Bäckerei, die am Weg liegt. Wer hätte gedacht an einem Sonntag mit Ausgangssperre eine ofenfrische Pide zu bekommen.

Zwei Tage später gehe ich ca. 1 Stunde zu Fuß bis zum Friedhof. Tags zuvor habe ich noch in Absprache mit der Witwe und P. Simon die Feier vorbereitet, die wegen der Corona-Krise am offenen Grab und mit höchstens 8 Personen stattzufinden  hat. Statt eines Kirchenliedes gibt es ein Jazz-Musik-Stück, die Kohelet-Lesung (Alles hat seine Zeit), ein paar Gedanken, auf Wunsch der Witwe Segnung des Grabes, kurze Stille und ein Vater unser. Das Weihwasser zum besprengen des Grabes darf nicht fehlen. Einige Kränze – aus Deutschland in Auftrag gegeben – kommen noch am Beginn der kurzen Feier.

Im Anschluss gibt es vor dem Ausgang des Friedhofes ein Beisammensein im Stehen, P. Simon hat Tee und Kekse mitgebracht. Wir sprechen über den Verstorbenen und sein Leben, auch wie es ihm wohl mit dem  „religiösen” Rahmen gegangen wäre. Der Rahmen habe gepasst, für die Witwe war es wichtig, dass sie selber entscheiden konnte, wieviel Religiöses dabei sein soll oder eben nicht.

Wir verabschieden uns, ich kaufe – weil ich gerade in der Nähe bin – noch schnell etwas ein und gebe es im nahen Altersheim in Bomonti ab, ein paar Worte mit den Schwestern von weitem. Beim Rückweg noch ein kurzes Gespräch auf der Straße mit dem nötigen Sicherheitsabstand mit der Caritas-Istanbul-Verantwortlichen, die dort wohnt und sich freut, dass sie zwischendurch einmal ein bekanntes Gesicht von Angesicht zu Angesicht sieht.

Dann geht es zu Fuß zurück. In der Mittagszeit ist die Sonne schon sehr warm und der Mundschutz v.a. anstrengend, wenn man insgesamt über zwei Stunden zu Fuß unterwegs ist und man ihn doch immer nur ganz kurz herunternehmen kann, obwohl viel weniger Menschen als sonst auf der Straße sind: nur alle 5 – 10 Meter ist jemand, dem man begegnet und auszuweichen versucht. Das ist auf der Istikklal einfacher, am Gehsteig schon mühsamer. Zuhause angekommen freue ich mich auf die Dusche.


Corona-Besuch bei Rosmarie  von Brigitte Knünz 
Nachdem Rosmarie im betreuten Wohnen keinen Besuch empfangen durfte, wurde das Schwätzle zwischen Balkon und Terrasse verlegt und die Blumen via „Luftpost“ übergeben, heißt: Wollknäuel auf den Balkon werfen, am Schnurende die Stofftasche mit den Blumen darin anknüpfen, von Rosmarie hinaufziehen lassen – fertig!  
 

Coronasingen von Erna Reichweger
Es ist 18.00 Uhr. Der Pfarrer Strasser Weg (in dem ich wohne) erwacht zum Leben.
Charly eröffnet mit seinem Leierkasten das tägliche Konzert. Aus den Häusern kommen die Bewohner, oder sie  stehen auf den Balkonen, um gemeinsam zu musizieren und wir singen mit, wenn die Musik unserem Jahrgang entspricht. 15 bis 25 Leute, im Alter von  4 bis 80 Jahren (das bin ich) lernen sich und ihre Talente kennen.
Charly, Franz und Christine sind das „Kernteam“, das uns schon seit 4 Wochen täglich mit Leierkasten, Gesang und Gitarrenspiel erfreut. Fallweise spielen auch E-Gitarre, Schlagzeug, Dudelsack, Mundharmonika, Flöte, und Jessica, die uns mit ihrer Gitarre und ihrem Gesang auf den neuesten Schlagerhimmel bringt. Von den Schlagern der 70-iger und 80-iger Jahre  („Rote Lippen soll man küssen“,  Blowin in the wind..),  Balladen und Lieder aus Musicals bis zu Kirchenliedern (Von guten Mächten wunderbar geborgen oder Christus ist erstanden) und Kinderliedern wird alles gesungen und musiziert. Und wenn dann die achtjährige Laura mit ihren Freunden Kinderlieder, wie „wenn du fröhlich bist dann lache, wenn du zornig bist dann stampfe, wenn du hungrig bist , dann schmatze usw. singt, dann lachen und stampfen und schmatzen wir alle.
Den Abschluss bildet der Ententanz, wir nennen es die tägliche Turnstunde. Da bewegt sich die ganze Straße. Anschließend stehen wir noch in kleinen Gruppen zusammen um uns auszutauschen.
Schön langsam lernen wir uns besser kennen und erzählen uns im richtigen Abstand, was uns bewegt. Von Trump bis Papst Franziskus und der Regierung wird über alles diskutiert. Wir feiern und singen zu den Festen – Geburtstag, Hochzeitstag, Geburt eines Kindes, usw.
Immer wieder bringt jemand etwas mit für alle – einen gebackenen Hasen, einen Sekt, eine Bananenmilch, gedruckte Liedtexte…
Ein herzliches  DANKE allen, besonders denen, die organisieren und spielen und damit viel Freude bereiten.

Aus der Corona-Zeit von Rosalia Kohler
Die Corona-Zeit empfand ich in einigen Dingen als angenehm, alles ging etwas gemächlicher und ruhiger. Und es war Zeit manches zu erledigen. Und nachdem das geschehen war, konnte ich mich wieder mal der Archivarbeit zuwenden. (Da brauche ich manchmal einen Motivationsschub). Brigitte fuhr mit mir nach Batschuns ins ehemalige Haus der Frohbotschaft und gemeinsam luden wir die (fast) letzten Reste des Archivs ins Auto. Die schriftlichen Hinterlassenschaften sind jetzt bereits sortiert und ich habe wieder mal einiges aus der Geschichte der Gemeinschaft erfahren, z.B. dass Frohbotinnen schon immer Mangelware waren. Bei den Dias dauert die Sichtung sicher noch länger (Maria Hackspiel war eine fleißige Künstlerin), aber mit Ingrids Hilfe wird es schon werden. 

Dankbarkeit von Marianne Schefknecht
Es gibt auch viel Grund zur Dankbarkeit...
In Zeiten von Corona frage ich mich jeden Abend, was habe ich heute an Erfreulichem und Schönem erlebt und gesehen. Dankbar denke ich an viel Gutes, schöne Erlebnisse und Aufmerksamkeiten. Davon möchte ich euch einiges erzählen.
Ich freue mich, wenn schon am Morgen die Sonne scheint und ich die Kinder im Haus höre. Das bringt Leben in und um das Haus.
Auch denke ich an die Freundlichkeit der Hausbewohner, an die gute Nachbarschaftshilfe, die mir besonders auffällt, oder an das Nachfragen: wie geht’s dir - auch telefonisch von Vielen - oder, kann ich etwas für dich tun, brauchst du etwas - Fragen von Frau und Mann - manche übermitteln mir einfach einen lieben Gruß. Ist das nicht schön? Ob das auch mit meinem Alter zu tun hat? Ich bin die Älteste in unserem Block.
Freude bereiten mir auch die schönen Gottesdienst-Übertragungen im Fernsehen und im Radio.
Mir passen dazu Gedanken, die ich im Sonntagsblatt der Steiermark gelesen habe: Der Auferstandene durchdringt trennende Mauern und Türen und verbindet uns alle zu einer großen Gemeinschaft, auch wenn uns eine physische Nähe und Berührung derzeit nicht möglich ist.
Nun möchte ich euch noch von Erlebnissen in und um unser Haus erzählen.
Als ich gegen Abend mit Müll hinausgegangen bin, begegnete mir im Stiegenhaus eine Hausbewohnerin, die soeben vom Einkaufen kam. Sogleich stellte sie die Einkaufstasche ab und sagte: Den Müll trage ich für dich hinunter, ich tue mir leichter.
Und vor Ostern besuchte mich eine Frau aus dem Oberland, die als junges Mädchen in der Wohngemeinschaft in Dornbirn war. Erst erkundigte sie sich bei der Polizei, ob sie zu mir fahren darf. So kam sie mit ihrem „Quad“ angerauscht, stellte mir Blumen und ein Ostergeschenk vor die Wohnungstür. Dann setzte sie sich mit Mineralwasser und Zigarette auf ein mitgebrachtes Polster ins Gras vor dem Haus und unterhielt sich mit mir zum Fenster hinauf. Es wäre ein Foto wert gewesen und erinnerte mich an die alte Zeit in der Wohngemeinschaft.

Oder: Ich sehe den Vater von zwei kleinen Kindern, der momentan von zu Hause aus arbeitet, und seine Frau immer wieder im Hof mit den Kindern spielen und herumtollen. Eines Tages stellte er für eine Nacht ein Zelt auf, um die Nacht mit den zwei Mädchen draußen zu verbringen, mit Abendessen und Frühstück vor dem Zelt, was die Mutter vorbereitete. Andere Mitbewohner schauten mit lustigen Zurufen von den Balkonen hinunter und freuten sich mit der kleinen lieben Familie. Der Spaß kam bei allen nicht zu kurz.
Auch so finden Kontakte statt.

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