Ein Nachmittag in der Quelle.komm am 17.12.2018

Ein älterer Mann betritt mit einem Einkauftrolley die Quelle.komm. Die erste vollgefüllte Geschenktasche, die er hervorzieht, hinterlegt er für eine bestimmte Mitarbeiterin. Die zweite Tasche bekommen wir nur mit vereinten Kräften aus dem Trolley heraus, so prallgefüllt ist sie. Das sei für hier: Lauter Süßigkeiten für unsere Gäste.

Auf Einladung setzt er sich an einen Tisch und trinkt einen Kaffee. Wir beide Gastgeberinnen kommen über gemeinsame Bekannte mit ihm ins Gespräch. Immer wieder fallen bei ihm Bemerkungen, dass er lieber auf Distanz ist, dass er sich lieber zurück zieht und allein ist. Er kommt ins Erzählen und packt seine tragische Kindheitsgeschichte, nach und nach seine ganze traurige Lebensgeschichte aus.

Am selben Tisch sitzen zwei junge Männer aus Afghanistan. Einer mit sehr guten und einer mit sehr schlechten Deutschkenntnissen. Der mit den guten Deutschkenntnissen motiviert den anderen zum Deutschlernen, redet ihm zu, gibt ihm Tipps. Als der zweite geht, um sich um einen Deutschkurs zu bemühen (!), binden wir den Dagebliebenen in das Gespräch ein, wiederholen kurz, was der ältere Mann Schlimmes erlebt hat. Da beginnt der afghanische Mann von seiner Flucht zu erzählen: in einem Kofferraum über die Grenze, als der eigene Proviant ausging, aß er Gras, drei Tage unter einem LKW verbracht, ohne Essen und Trinken…

Und dann erzählt der dritte Mann, der sich nun dazugesellt hat, von seinem Leben: was ihn vor vierzig Jahren zu seinem Selbstmordversuch getrieben hat und wie das Leben trotzdem weiter gegangen ist.

Alle drei Männer schließen ihre Geschichten auf erstaunliche Weise: Der eine sagt, er sei nicht gläubig, aber er danke Gott jeden Morgen für sein Leben und den neuen Tag, den er erleben kann. Der junge Mann schaut vorwärts, lernt, ist fleißig, knüpft Kontakte, hat eine positive Lebenseinstellung. Und der dritte kann nicht genug von den guten Menschen in den Krankenhäusern erzählen, denen er so dankbar ist und dass es ihm jetzt so gut geht.

Der Afghane mit den wenigen Deutschkenntnissen kommt zurück und gibt zu verstehen, dass er am nächsten Tag zum Einstufungstest kommen kann. 

Nach diesem Dienst in der Quelle.komm gingen wir reich beschenkt nach Hause – es war ein bisschen wie Weihnachten.    
   Brigitte Knünz

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