10 Jahre Haus Batschuns am 29.10.2022

Angekommen, angenommen und dann?

„Wenn es ein Fest gegeben hat und ich gebeten wurde, etwas aus meinem Herkunftsland zu kochen, habe ich verstanden, was das heißt: Du bist hier in der neuen Heimat willkommen!“ So erzählte eine junge Frau aus dem Irak bei einem Podiumsgespräch im Bildungshaus Batschuns, wo es am Samstag, den 29. Oktober, ebenfalls ein Fest gegeben hat. Ein Fest, bei dem Menschen aus verschiedenen Ländern ein schmackhaftes internationales Buffet zusammengestellt und miteinander gegessen haben. Ein Fest, um ein Jubiläum zu feiern: Seit 10 Jahren leben geflohene Menschen im ehemaligen Haus des Werks der Frohbotschaft Batschuns. Damals, vor 10 Jahren, waren die Frohbotinnen nach Dornbirn übersiedelt und hatten ihr Haus der Caritas für Asylwerbende zur Verfügung gestellt.

Rund 60 Menschen folgten der Einladung ins Bildungshaus Batschuns. Gemeinsam mit den Frohbotinnen und Mitgliedern von FairAsyl – einer 2014 zur Unterstützung der Asylwerber und -werberinnen entstandenen Gruppe aus Frohbotinnen, Freunden und Batschunsern – haben sie innegehalten, sich erinnert, nach vorne geschaut und gefeiert. Derzeitige und ehemalige Bewohner und Bewohnerinnen des Hauses waren da, einer sogar extra dafür aus London angereist, Nachbarn aus Batschuns und andere Menschen, die die Asylwerbenden oft über lange Zeit und intensiv begleitet haben. Die Caritas war durch Bernd Klisch vertreten.

Eine Fotopräsentation zeigte die Vielfalt der Unternehmungen und Geschehnisse der vergangenen 10 Jahre - die regelmäßigen Deutsch-Cafés, die Weihnachtsfeiern und Begegnungsfeste, Wanderungen, Fußballturniere und Kegelabende, gemeinsame kulturelle Veranstaltungen, den Beitrag der Asylsuchenden im Rahmen der Nachbarschaftshilfe, beim Schneeschaufeln oder beim Apfelmuskochen. Gezeigt wurde aber auch der schwierige Moment ganz zu Beginn, als zwei Jugendliche einen Brandanschlag auf das Haus verübten.

Das anschließend von Brigitte Knünz, der Leiterin der Frohbotinnen, moderierte Podiumsgespräch griff den Titel der Feier auf: Angekommen – angenommen und dann? Im Gespräch erzählten je vier ehemalige AsylwerberInnen und vier BegleiterInnen, wie sie das Ankommen erlebt haben, sie erzählten, was schwer war und was gut und hilfreich und berichteten, wie es ihnen jetzt geht. Schwierig für die geflohenen Menschen war zum Beispiel das Warten ohne zeitliche oder andere Perspektive, die Angst vor den Behörden, die die Fluchtgründe nicht geglaubt haben, das Alleinsein, … All das fraß Energie und nahm Motivation zum Sprache Lernen und sich Integrieren. Nicht alle haben das durchgestanden. Andere haben Durchhalte-Strategien entwickelt: Einer der Gesprächsteilnehmer erzählte, dass er nach jedem Negativ-Bescheid bewusst den nächsten Deutschkurs gemacht habe. Eine Frau ging bewusst aktiv und offen auf andere Menschen zu und fand so viele Freunde. Herausfordernd war sowohl für die Batschunser Nachbarn, wie auch für die Bewohner des Hauses selbst, dass geflohene Menschen sehr unterschiedliche Bedürfnisse und Vorstellungen vom Zusammenleben haben. Zu verstehen, dass lautes Reden bei arabisch-sprachigen Männern nicht gleich Streit bedeutet und bedrohlich ist, war zum Beispiel für einen Pakistaner ein wichtiger Lernschritt. Dieser Mann hat inzwischen eine Schule für Sozialbetreuungsberufe abgeschlossen und die österreichische Staatsbürgerschaft: „Ich bin ein Schokolade-Österreicher - zu 80 Prozent. 20 Prozent fehlen, weil ich noch keinen Dialekt kann“ lacht er. Ein Syrer, der inzwischen eine Arbeit in der Betreuung ukrainischer Flüchtlinge gefunden hat, war überrascht über die viele Unterstützung, die er und seine Familie auch von staatlicher Seite bekommen haben. Noch immer ist er sehr dankbar dafür. Überhaupt war Dankbarkeit ein großes Thema: Dankbarkeit für die Frohbotinnen, für die BegleiterInnen von der Caritas, für die Ehrenamtlichen, die das Ankommen mit unterschiedlichsten Projekten unterstützt haben.  
Allen miteinander war klar, dass dieser Einsatz nicht aufhören kann und darf. Immer neu sind Menschen in Gefahr und auf der Flucht, voll Angst und Ungewissheit und brauchen Unterstützung. Die aktuelle Zelt-Aktion des Innenministeriums zeige, so ein Gesprächsteilnehmer, erschreckend deutlich, wie wichtig es ist, das Thema „Unterstützung für Flüchtlinge“ wieder und wieder zu thematisieren und bewusst zu machen. Helmut Eiter, Batschunser und Mitglied von FairAsyl, brachte es auf den Punkt: „Als einzelne Person kann man Einzelnen helfen, dass ihr Weg ein bisschen besser weiter geht. Aber diese 10 Jahre waren auch ein Angriff auf meine Naivität.“ Ein solches Engagement finde nicht unbedingt Unterstützung. Zu viele Steine würden geflohenen Menschen und ihren Begleitern vor allem behördlicherseits in den Weg gelegt. Dass es die Nachbarschaftshilfe nicht mehr gibt, kann Helmut Eiter nicht verstehen. Und längst nicht alle Geschichten seien gut ausgegangen. Aber: „Wir müssen weitermachen. Das ist unsere einzige Chance in einer globalisierten Welt. Wir dürfen nicht aufgeben.“

Und dann? Die Corona-Lockdowns haben bewirkt, dass es zurzeit deutlich weniger gemeinsame Aktivitäten im Haus Batschuns gibt. Aber das Engagement ist nicht abgebrochen, es hat sich verlagert – unter anderem in ein anderes Projekt der Frohbotinnen. In der ehemaligen Buchhandlung „Die Quelle“ am Feldkircher Bahnhof ist ein Begegnungscafé entstanden. In der Quelle.komm werden Menschen aller Nationalitäten als Gäste willkommen geheißen. Sie genießen einen Kaffee oder Tee und begegnen sich: Menschen, die als Flüchtlinge in unser Land gekommen sind, treffen sich mit Menschen, die einsam sind und sich über Gesellschaft freuen, oder mit solchen, die die Wartezeit bis zur Weiterfahrt mit dem Zug überbrücken wollen. Sie plaudern, spielen oder lernen Deutsch. Es ist lebendig wie vor Coronazeiten. Auch das ist ein Grund zum Feiern. Und zum Danke-Sagen.

Der Programmteil des Festes endete meditativ. Sätze aus der Regel der Frohbotinnen, aus der Bibel und aus dem Koran wechselten ab mit Sätzen, in denen sich das Schwere und Enttäuschende beim Ankommen zeigte. Getragen wurden alle diese Gedanken von ruhiger Musik auf der Ud, gespielt von Moaz Alshamma. FairAsyl-Mitglied Franz Josef Mayer schloss die Feier mit einem Dankgebet ab.

So ist das Innehalten zum 10-jährigen Jubiläum des Hauses Batschuns ein guter, schöner Abend geworden. „Spannend und berührend von Anfang bis Schluss. Und wichtig!“ wie eine mitfeiernde Frau voll Überzeugung sagte.    

Susanne Winder

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